Sehr geehrte Frau Hohmann,
sehr geehrte Mitglieder des Petitionsausschusses im Landtag von Sachsen-Anhalt,
vielen Dank für die erneute Gelegenheit zur Rückmeldung. Auf die Stellungnahme der Landesregierung möchten wir im Folgenden eingehen.
- Zur Situation an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Anders als in der Stellungnahme der Landesregierung geschildert, wurde die “Partielle Fortschreibung des Hochschulentwicklungsplanes” als weitreichender Plan des Rektorates zur Neustrukturierung der MLU angelegt und (leider) aufgrund des hohen Kürzungsdruckes durch die strukturelle Unterfinanzierung vom Akademischen Senat auf seiner Sitzung vom 6. April 2022 angenommen. Dabei geht es aber keineswegs (nur) um die Personalentwicklung, sondern um einen Kahlschlag – wer den nun so veränderten Hochschulentwicklungsplan (HEP) liest, wird sehen, wie viele in Sachsen-Anhalt einzigartige Fächer hier abgeschafft werden sollen. Ein weiterer, bereits jetzt beschlossener und für das kommende Wintersemester bereits unumkehrbarer Effekt ist die Senkung der Immatrikulationen. Wir rechnen damit, dass einige hundert Studienanfänger:innen weniger nach Halle kommen werden, was erklärtes Ziel des HEPs ist. Der Wissenschaftsminister hat sich der in der Stellungnahme erwähnten Sitzung des Akademischen Senates vom 16. März explizit nicht dagegen ausgesprochen, sondern – aus unserer Perspektive – dem Rektorat für die Arbeit an der Konsolidierung gedankt. Insbesondere die kleinen Fächer sollten dabei “nicht zu jedem Preis” erhalten werden.
Diese Konsequenz wurde an der MLU bereits in Teilen umgesetzt, ohne die erwähnte Qualitätsdiskussion. So wurden die Studiengänge der Indologie, der Südasienwissenschaft und der Gräzistik bereits aufgehoben, da die dortigen (unbesetzten) Professuren mit einem kW-Vermerk ausgestattet wurden. Obwohl dort herausragende Forschungsleistungen erbracht wurden, die auch bei der Drittmittel-Einwerbung deutlich wurden, sind diese Fächer damit in Sachsen-Anhalt praktisch ausgestorben. Bei anderen Studiengängen sind die Kapazitäten so weit heruntergesetzt worden, dass dort deutlich weniger Studienanfänger:innen zu erwarten sind, so zum Beispiel im Bereich der Politik-, der Wirtschafts- und der Rechtswissenschaften. Das liegt aber keineswegs daran, dass wir weniger Jurist:innen brauchen würden oder die Studiengänge nicht nachgefragt werden. Vielmehr liegt das an den im HEP aufgezeigten Konsequenzen. Die Verkleinerung der MLU findet also real statt, ebenso wie eine Abschaffung vieler kleiner Fächer. Das ist alles im HEP nachzulesen (https://t1p.de/HEP2022MLU) und wird nach unserem Ermessen von der Landesregierung durch ihr Handeln praktisch vorangetrieben.
- Die Finanzausstattung der MLU
Es ist richtig, dass es Zielvereinbarungen gibt und dass die Mittelzuweisungen in den letzten Jahren gestiegen sind. Wir möchten allerdings einwenden, dass sie nicht kontinuierlich und nicht ausreichend gestiegen sind. Das zeigt sich auch daran, dass die Mittel für das Studienkolleg im diesjährigen Haushalt bereitgestellt wurden. Hier wird deutlich, dass die MLU in den vergangenen Jahren die Mittel für diese zusätzliche Landesaufgabe stets aus der eigenen Grundfinanzierung tragen musste. Ähnliches gilt für die ULB als Landesbibliothek, die Lehramtsausbildung und viele weitere Aufgaben. Dazu muss man sagen, dass der Inflationsausgleich bei einem Prozent liegt und damit eben nicht die tatsächlich Inflation deckt, geschweige denn die Jahre kompensiert, in denen es weder einen vollen Tarifausgleich noch überhaupt einen Inflationsausgleich gab. Wir haben gemeinsam mit dem “Bündnis für eine gerechte Ko-Finanzierung des Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken in Sachsen-Anhalt” bereits darauf hingewiesen, wie eine Alternative dazu aussehen sollte. Wir wissen, dass die Landesregierung von Sachsen-Anhalt und das Rektorat der Martin-Luther-Universität bereits deutlich unterschiedliche Ansichten zum Haushaltsdefizit an der MLU öffentlich bekundet haben. Unter der realen Situation leiden aber vor allem die Studierenden und Beschäftigten, die weiterhin einem Nothaushalt an der MLU ausgesetzt sind. Aus unserer Perspektive ist es Aufgabe und Verantwortung der Landesregierung, hier eine transparente und öffentliche Aufklärung über das tatsächliche Defizit vorzulegen – denn wenn es das nicht gibt, wieso gibt es dann Stellensperren, globale Minderausgaben und Sachmittelkürzungen an der MLU und wo bleibt die Aufsichtspflicht des Fachministeriums angesichts dieser offenkundigen Missstände?
- Schlussfolgerungen
Der von uns befürchtete Kahlschlag an der MLU wird vorangetrieben. Weniger Studienanfänger:innen und das voraussichtliche Ende einiger kleiner Fächer ist im vollen Gange. Allerdings lässt sich das auch kurzfristig Umkehren. Bis jetzt hat keine Qualitätsdiskussion an der MLU stattgefunden und es wird auch keine stattfinden, wenn der Konsolidierungsdruck weiterhin dafür sorgt, dass Studiengänge und Forschungsbereiche nach dem Prinzip des geringstens Widerstandes geschlossen werden und die Zeichen auf Verkleinerung stehen. Es ist aus unserer Perspektive ein Hohn, dabei auf die Hochschulautonomie zu verweisen. Vielmehr sehen wir die Landespolitik in der Pflicht, ein klares Signal zu setzen – sollen kleine Fächer (insbesondere Altertums- und Regionalwissenschaften) eine Zukunft in Sachsen-Anhalt haben? Soll die MLU deutlicher weniger Studierende aufnehmen? Das sind (landes-)politische Fragen, die letztendlich “outgesourced” wurden – an eine Universität, die nicht einmal genug Geld hat, um genug Bücher anzuschaffen oder Kopierpapier bereitzustellen. Wir bitten also um eine inhaltliche Befassung mit dem, was im HEP steht und mit der konkreten Situation vor Ort. Um diese endlich zu verbessern und Sachsen-Anhalt zu stärken, braucht es eine höhere Grundfinanzierung, zum Beispiel mit der Erfüllung des oben genannten Zukunftsvertrags.
Mit freundlichen Grüßen,
das Aktionsbündnis #MLUnterfinanziert – Perspektiven schaffen!
